Erinnerungen an „unsere“ Sommerfrischen

eine sehnsüchtige Wiedervöffentlichung

Es waren nicht nur „Urlaube“, so in den sechziger und frühen siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, es waren die restlichen Wochen des Sommers – und da gab es noch immer die Sommerfrische. Und bevor wir unser „Häusl“ in Pernitz gebaut hatten, waren es verschiedene Orte, wo der restliche Sommer außerhalb von Wien, aber in Österreich verbracht wurde. Pernitz selbst war auch mehrmals dran. Fern von heißem Sand, über den man nicht barfuß gehen konnte, und fern von der fremden Küche (wobei mir die gebackenen Tintenfischringe noch immer gut schmecken, obwohl sie von den Kindern Gummiringerln genannt wurden).

In Pernitz war es einmal in einer Wohnung oberhalb einer Bäckerei. Einer der Nachteile war, dass dort der Tagesanbruch sehr früh war, ein Bäcker muss schon so um drei Uhr früh in der Backstube stehen, damit dann das Brot und das Gebäck ab sieben Uhr verkauft werden kann. Auch dort war es ein altmodischer Herd in unserer Küche, der mit Holz geheizt werden musste. In einem heißen Sommer, war das dann doch nicht ganz so gemütlich. Und diese Wohnungen hatten selbstverständlich noch keine Waschmaschine – wir durften die Waschküche mitbenutzen, und auch keine Geschirrwaschmaschine. Der Haushalt verursachte damals viel mehr Arbeit als heute. All das nahm meine Mutter eigentlich widerspruchslos auf sich. Ihr Vorteil lag darin, dass in Pernitz noch ihre Geschwister lebten, mit denen sie in diesen Sommern regen Kontakt pflegen konnte. Aus deren Gärten bezogen wir die Fisolen, die köstlichen Monatserdbeeren und die Ribisel – die wir allerdings selbst „brocken“ mussten.

Einmal war das Ziel Hermagor, ein Bauernhof. In der Nähe gibt es dort den Pressegger See, das Nassfeld war damals noch eine Alm – kein mondäner Wintersportort. Es war das Jahr 1965. Unser Sohn war knappe fünf Jahre alt, unsere Tochter gerade ein paar Monate. Meine Mutter war mit von der Partie. Es musste „alles“ mitgenommen werden, was man so benötigen könnte. Ein Teil wurde mit der Bahn vorausgeschickt, und es musste die Dachgalerie auf das Auto montiert werden.

Die Anreise war schlimm. Wir fuhren im strömenden Regen, auf dem Dach waren das Gitterbett und die Matratze dazu, wohl gut eingepackt, aber der Regen schaffte es doch, alles zu durchnässen. Die Fahrt hatte auch endlos gedauert. Ausgefroren kamen wir an. Die Räumlichkeiten waren einfach. Es gab einen Herd, den man aber heizen musste. Meine praktische Mutter machte gleich Feuer, während wir abluden und auspackten. Guter Rat war teuer, weil das Gitterbett – nasse Matratze – eben noch nicht verwendbar war.

Am nächsten Tag schien die Sonne, wir holten das restliche Zeug vom Bahnhof ab. Jetzt war Einkaufen angesagt, da wir uns ja selbst verpflegten. Der Bauernhof war für unseren Sohn recht interessant, die nähere Umgebung eher wenig anziehend. Da jetzt der Kinderwagen eingetroffen war und die Matratze an der Luft langsam trocknete, konnte eine Art Alltag einziehen. Ich war mit Baby und Stillen eher ausgelastet, meine Mutter betrieb den Haushalt, mein Mann schrieb an seinem Buch.

Es war ein besonders regnerischer Sommer, es gab daher wenige Gelegenheiten im Pressegger See zu baden. Manchmal konnte mein Mann seine Schreibtätigkeit (natürlich noch auf der Schreibmaschine) in den Garten verlegen. Wenn ihm dorthin der Kaffee gebracht wurde, lag schon die Tochter des Hauses, die etwas geistig zurückgeblieben war, auf der Lauer und trank ihn flugs aus. Aber sie war ein gutmütiges Kind, dennoch hatten wir Angst, den Kinderwagen mit dem Baby unbeaufsichtigt in den Garten zu stellen.

Die regnerischen Nachmittage wurden mit Kartenspielen verbracht, woran ich mich nicht gar so gerne beteiligte, ich habe nie gerne Karten gespielt. Fernsehen gab es im Bauernhaus in Hermagor keines. 

Mein Mann hatte die Gelegenheit, mit dem Hausherrn vom Nassfeld auf den Gartnerkofel aufzusteigen. Und einmal entschieden sich mein Mann und meine Mutter mit dem Buben einen Ausflug nach Grado zu machen, ich blieb mit dem Baby zurück. Diese Geschichte kenne ich nur vom Hörensagen. Beim Stadtbummel entwischte der Bub seinem Vater und seiner Großmutter. Die Suche muss hektisch gewesen sein. Die Schuld wurde gegenseitig zugeschoben. Aber Fünfjährige hatte sich einen Bezugspunkt gemerkt, wohin seine Familie mit Sicherheit zurückkehren würde. Auf dem großen Parkplatz fand er „unser“ Auto und wartete einfach dort. Die Erleichterung der Erwachsenen muss groß gewesen sein.

Aber nicht nur nach Hermagor verschlug es uns, ein Sommer wurde auch in Baden verbracht. Da der Urlaub von uns nicht ausreichte, blieben die beiden Großmütter abwechselnd bei den Kindern, teilweise pendelte ich und kam abends und fuhr in der Früh wieder nach Wien. Aber mit meinem kleinen Auto, es war damals n och der 4CV (Renault), dauerte es lange, außerdem steckte ich bei der Einfahrt von Wien fast immer im Stau neben Lastautos deren Räder mir höher zu sein schienen, als mein Auto.

Unsere Sommerfrischen hatten wenig bis nichts mit jenen zu tun, die in der Schnitzlerschen Dramen dargestellt werden.

Erinnerungen an „unsere“ Sommerfrischen

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