Zur Frage – was ist Demokratie

Ein Versuch

Ich möchte jetzt eine Schuld einlösen. Vor einiger Zeit hat ein Post von mir eine längere „Debatte“ in den sozialen Medien ausgelöst und ich habe versprochen, meine Vorstellung von Demokratie zu beschreiben.

Natürlich habe ich darüber nachgedacht und bin draufgekommen, dass es leichter wäre, das alles von der negativen Seite anzugehen. Also was ich sicher nicht will, ist eine sogenannte illiberale Demokratie, weil ich diesen Zustand nicht mehr als Demokratie empfinde. Das ist ein Regierungssystem, das einige demokratische Merkmale besitzt, in der andererseits aber bestimmte liberale Freiheiten nicht garantiert werden (z.B. die unabhängige Justiz, die freie Presse etc.).  

Oft wird der Fehler gemacht, „freie Wahlen“ als das einzige Kriterium heranzuziehen, dass es sich um eine Demokratie handelt, das ist sicher zu kurz gegriffen.

 Wie meist ziehe ich die Geschichte heran, um Fragen zu lösen. Ich beginne also mit dem antiken Athen:

Die attische Demokratie erlangte ihre vollständige Ausprägung im 5. Jahrhundert v. Chr. Die attische Demokratie ist eine frühe Vorläuferin einer auf dem Prinzip der Volkssouveränität basierenden politischen Ordnung. Mit ihr wurde ein Verfassungstypus entwickelt, der allen Bestrebungen zur Ausweitung direktdemokratischer Ansätze als Modell und geschichtliche Erfahrung dienen konnte und kann. Auch in der Epoche ihrer Vollendung bot die attische Demokratie allerdings nur einem Teil der Bevölkerung Attikas das Recht zur politischen Partizipation. Frauen, Sklaven und Metöken (Fremde, meist ebenfalls griechischer Herkunft) waren davon ausgeschlossen. Das Bürgerrecht war einerseits sehr exklusiv und wurde Externen nur in Einzelfällen verliehen; abgesehen von wenigen Ausnahmen besaßen nur Männer, deren beide Eltern bereits Bürger Athens gewesen waren, alle politischen Rechte. Diese registrierten Vollbürger waren andererseits auf allen politischen Entscheidungsebenen Großteils im Losverfahren mitwirkend beteiligt. Eine Gewaltenteilung im modernen Sinne existierte nicht; der Macht der Volksversammlung waren kaum Schranken gesetzt.

Die Unabhängigkeitserklärung der USA sicherte allen Menschen das Recht auf Leben, Freiheit, Eigentum und auf Streben nach Glück zu. In der Realität galt dies jedoch nur für freie weiße Männer, während Frauen, Versklavte und die indigene Bevölkerung von diesen Rechten ausgeschlossen waren. Der Verfassungskonvent in Philadelphia von 1787 etablierte eine bundesweit einheitliche Verfassung, die in großen Teilen noch heute gültig ist. Das in dieser Verfassung verankerte System der „checks and balances“, also der Gewaltenteilung und -verschränkung, sollte eine zu große Macht einzelner Institutionen im Staat verhindern.

Die französische Revolution hat keine Demokratien im heutigen Sinne hervorbrachten, aber sie beförderte einen egalitären Geist, der alte Hierarchien in Frage stellte und mehr politische Teilhabe ermöglichte. Außerdem wurden mit der Entstehung von Verfassungen und Parlamenten wichtige Grundsteine der modernen Demokratie gelegt.

Seit Mitte des 19. Jahrhunderts ist Großbritannien eine parlamentarische Monarchie, auch wenn das allgemeine Wahlrecht trotz mehrerer Wahlreformgesetze (1832, 1867, 1884/85) im 19. Jahrhundert noch nicht verwirklicht wurde. Die allmähliche Ausweitung des Wahlrechts stärkte das vom Volk gewählte House of Commons zunehmend gegenüber der Krone und den Lords. Dieser Prozess vollzog sich vor dem Hintergrund einer auf die britischen Freiheiten stolzen Zivilgesellschaft, die sich auf eine Tradition seit der Magna Carta (1215) und der Bill of Rights („free speech“) berief. Aus mehreren Kompetenzkonflikten zwischen Unter- und Oberhaus entwickelte sich seit dem späten 19. Jahrhundert die heute bekannte asymmetrische Rolle beider Häuser im Zweikammerparlament. Das allgemeine Wahlrecht wurde in Großbritannien erst 1918 bzw. 1928 (für alle erwachsenen Frauen) eingeführt.

Die revolutionäre Bewegung breitete sich ab 1848 in ganz Europa, auch in Deutschland aus. Die deutschen Revolutionäre forderten demokratische Reformen und eine nationale Einheit der einzelnen deutschen Staaten. Am 18. Mai 1848 trat in der Paulskirche in Frankfurt zum ersten Mal ein freigewähltes gesamtdeutsches Parlament zusammen. Trotz dieser Entwicklungen konnte sich noch keine Demokratie in Deutschland durchsetzen.

Demokratie heute: eine Staatsverfassung, in der die Herrschaft bzw. die Machtausübung auf der Grundlage politischer Freiheit und Gleichheit sowie weitreichender politischer Beteiligungsrechte erwachsener Staatsbürger erfolgt. In der Demokratie ist das Volk der staatliche Souverän (die oberste Staatsgewalt) und die politischen Entscheidungen werden durch den Mehrheitswillen der Bevölkerung gefällt.

Was setzen wir in einer Demokratie voraus?

  • das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen,
  • die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht,
  • das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition,
  • die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung,
  • die Unabhängigkeit der Gerichte,
  • der Ausschluss jeder Gewalt- und Willkürherrschaft und
  • die in der Verfassung konkretisierten Menschenrechte.

Ich weiß nicht recht, ob das die Antwort auf die Frage ist, was ich unter Demokratie verstehe. Denn unsere Demokratien sind doch höchst unterschiedlich, allein wenn wir die Trennung von Kirche und Staat zugrunde legen.

Eines steht fest, wenige Demokratien sind „lupenrein“, weil sie eben von Menschen betrieben werden. Aber es ist unser Recht und unsere Pflicht sie so „lupenrein, wie nur möglich zu machen.

Zur Frage – was ist Demokratie

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