Zum Wunsch mancher Muslime im Westen zur Errichtung eines Kalifats

Jetzt ist so viel vom Kalifat die Rede (zum Glück nicht bei uns, sondern in unserem Nachbarland).

Als Kalifat („Nachfolge“) bezeichnet man die Herrschaft, das Amt oder das Reich eines Kalifen, also eines „Nachfolgers“ oder „Stellvertreters des Gesandten Gottes“. Es stellt somit eine islamische Regierungsform dar, bei der die weltliche und die geistliche Führerschaft in der Person des Kalifen vereint sind. Bereits Mohammeds Staat in Medina basierte auf einem theokratischen Modell: Mohammed, der Religionsstifter des Islam, war sowohl der Führer der religiösen Bewegung als auch der Herrscher über den Machtbereich, (und Feldherr, bei der Ausbreitung des Glaubens) in dem diese Religion ausgelebt wurde.

In der Form „Stellvertreter Gottes [auf Erden]“, existiert der Kalifen-Titel seit den ab 661 regierenden Umayyaden. Da gemäß Sure 112 jedoch kein Mensch Gott gleich sein könne – nicht einmal das Oberhaupt aller Muslime –, steht diese Interpretation des Kalifats nach Ansicht vieler Muslime im Widerspruch zur Lehre Mohammeds!

Es war die Welt des siebenten Jahrhunderts, indem das Kalifat ein Erfolgsmodell war. In Europa konsolidierten sich die aus der Völkerwanderung hervorgegangen germanisch-romanisch beherrschten Reiche der Franken, Westgoten und Langobarden. Einte die griechisch-römische Kultur in den vorherigen Jahrhunderten die Staaten um das Mittelmeer, so beendete die islamische Expansion diese Einheit. Ab dem 7. Jahrhundert trennt das Mittelmeer mehr den christlichen Norden vom islamischen Süden, als dass es die Staaten an seinen Ufern eint. Dieses Jahrhundert wird der ausgehenden Spätantike bzw. dem beginnenden Frühmittelalter (je nach Region ca. 500–1050) zugeordnet.

Am Ende des Jahrhunderts konnten die Pippiniden, die späteren Karolinger, das Hausmeieramt die Macht auf sich vereinen und ihren Aufstieg beginnen. Im folgenden Jahrhundert einigten sie das Frankenreich und vergrößerten es zur dominierenden Macht West- und Mitteleuropas. Nachdem das toledanische Westgotenreich zu Beginn des Jahrhunderts die letzten oströmischen Gebiete an den Küsten eroberte, beherrschte es die ganze Iberische Halbinsel. Das Reich der Langobarden setzte seinen Eroberungszug zu Lasten des oströmischen Reiches fort. Zur Jahrhundertmitte beherrschten sie große Teile des italienischen Festlandes. Die oströmisch verbleibenden Hafenstädte, Venedig und Ancona an der italienischen Adriaküste ermöglichten den wirtschaftlich wichtigen Handel mit den Kerngebieten des oströmischen Reiches. Die in Pannonien beheimateten Awaren konnten ihre Macht zu Lasten des oströmischen Reiches auszudehnen. In der ersten Jahrhunderthälfte wanderten Gruppen von Slawen in größerer Zahl in den Balkan ein. In der zweiten Jahrhunderthälfte konnten die slawischen Fürsten auf dem Balkan zunehmend Autonomie im Machtbereich der Awaren gewinnen. Die Chasaren, ein Turkvolk, vergrößerten und festigten ihr nördlich des Kaukasusgebirges gegründetes Reich und begannen sich damit als Regionalmacht zu etablieren. Nach jahrzehntelangen Auseinandersetzungen konnten sie in der zweiten Jahrhunderthälfte das nördlich des Schwarzen Meeres gelegene großbulgarische Reich erobern und zerstören. Einige dort lebende Bulgaren vereinigten sich daraufhin mit in der Nachbarschaft lebenden slawischen Gruppen und zogen auf den Balkan, wo sie um 680 das erste bulgarische Reich gründeten.

Der Ausgangspunkt der Machergreifung Mohammeds hatte in Medina begonnen. Als Basis der Herrschaft galt die so genannte Gemeindeordnung von Medina. Das ist ein Bündnisvertrag, der islamische Prophet Mohammed nach seiner Ankunft in der Stadt Yathrib (später: Medina) im Jahr 622 zwischen den Auswanderern aus Mekka und seinen Helfern in Yathrib schloss. Durch den zweiten Teil des Vertrags sind auch verschiedene jüdische Stämme in das Bündnis eingeschlossen. Ziel des Vertrags war, die Feindseligkeiten und Clan-Rivalitäten unter den Vertragspartnern zu beenden und sie gegen Bedrohungen von außen zu vereinigen. Hierzu wurde eine Liste von (nicht auf der Scharia beruhenden) Rechten und Pflichten für die Unterzeichner aufgestellt, mit denen sie die Grundlage schufen, sich künftig als einzige und einige Gemeinschaft (Umma) zu definieren.

Am Anfang des Dokuments wird festgestellt, dass es sich um „einen Vertrag Mohammeds, des Propheten, zwischen den Gläubigen und Muslimen der Quraisch und von Yathrib und jenen, die ihnen folgen, ihnen verbunden sind und zusammen mit ihnen kämpfen“, handelt. Sie seien „eine einzige Umma, die sich von anderen unterscheidet“. Anschließend werden die neun wichtigsten Vertragsparteien genannt. Von jeder Gruppe heißt es, sie solle ihre tribale Organisation beibehalten und sei für die Zahlung von Blutgeld und Lösegeld unter ihren Angehörigen verantwortlich. Allerdings wird diese Solidaritätspflicht auf die Gläubigen unter ihnen eingeschränkt. Zuletzt werden die Vertragsparteien aufgefordert, Streitfälle durch Mohammed schlichten zu lassen.

Nun, es gab also damals den Koran, noch nicht in schriftlicher Form, auch die später so wichtigen Hadithe waren noch nicht zusammengefasst und verschriftlicht, es gab Regeln für den Krieg (Beuteteilung) und es gab diese Gemeindeordnung. So begann das Kalifat – und das soll nun ein Vorbild für heute sein?

Ja, was „Heutigen“ (Muslimen) daran so gefällt, ist wohl der überaus erfolgreiche Eroberungszug der Muslime in der damaligen Welt, aber auch diese Welt hat sich seither gewaltig verändert.

Zum Wunsch mancher Muslime im Westen zur Errichtung eines Kalifats

Hinterlasse einen Kommentar