Adieu, lieber Tusch

Auf Anregung einer Enkelin wurde entschieden, ein Fest für „unseren Tusch“, so wurde mein Mann in der Familie genannt, in engstem Familienkreis zu veranstalten.

Der Ort war bald festgelegt, es sollte in Pernitz sein, wo viele Urlaube, Wochenenden und Feiern stattgefunden haben. Und konkret: in seinem kleinen Salettl (Lusthaus) im Garten. Dort ist mein Mann gerne und stundenlang gesessen, als er noch hinaufgehen konnte, hat zuweilen gelesen, oder auch nur sinniert und in die Landschaft geschaut. Früher konnte er noch das Gutensteiner Tal hinaufblicken, sah den Pernitzer Kirchturm, das ist aber jetzt ganz zugewachsen, von einer Linde, die wir zu unserer Silberhochzeit gepflanzt haben.

Dieses Salettl ist nicht groß, aber es ging sich gerade aus, dass wir alle „unter Dach“ sitzen konnten. Wir hatten dort einen Tisch aufgestellt, mit Photos von Tommy drauf, mit einer Kerze und von der Urenkeltochter gepflückten Wiesenblumen. Die organisierende Enkeltochter hatte Kärtchen mit Bildern und dazu passenden Begriffen mitgebracht, wobei jeder etwas „Passendes“ aussuchen konnte. Aber eigentlich hätten wir das gar nicht gebraucht. Jeder sollte von „seinem Tusch“ erzählen, kleine Episoden, auch Erinnerungsfetzen, Gespräche … Es war dann, wie in unserer Familie zu erwarten, gar nicht traurig, vielleicht wehmütig, es war aber viel zum Lachen dabei. Mein Mann hat ja so gerne gelacht. Vieles war den meisten vertraut, manches einigen neu, es ergab sich ein Bild eines erfüllten, reichen Lebens. Es zeigte sich aber auch, dass es recht verschiedene Sichten gab, die aber abhängig vom Alter der Beteiligten, auch ihre Erinnerungen an verschiedene Lebensalter meines Mannes hatten.  Wir hatten alle das Gefühl, dass Tommy uns wohlwollend zusah.

Einer unserer Enkel hat noch ein Gedicht auf seinen Großpapa gemacht, das hat er dann, begleitet mit der Gitarre gesungen. Wir waren alle zu Tränen gerührt. Zuletzt hat seine Enkelin einen Tanz zu seinen Ehren getanzt, genannt „Zwischenräume“, mit dem sie den Verlust beschrieb. Aber auch das war einfach wunderschön, als sie sich im Gras der Wiese bewegte. Dass dann ein Heuschreck auf sie hüpfte, war wieder jene romantische Ironie, die mein Mann an Heine so sehr liebte.

Wie geplant, stießen wir dann auf unseren Ehemann, Vater, Großvater, Urgroßvater und Schwiegervater an.

Bereits vorher war entschieden worden, dass zu diesem Anlass ein Baum im Garten gepflanzt werden sollte. Nun, mein Mann hatte es nicht so mit der Biologie, daher stand die Frage im Raum: welcher Baum?  Naja, meine Tochter meinte, dass jetzt in Pernitz ein Obstgarten geplant wäre. Ab dann war’s leicht. Es ist ein Zwetschkenbaum. Und warum: Dazu muss man wissen, dass mein Mann gerne mit Freunden oder auch ohne zuweilen oder auch öfters ein oder zwei Gläschen Sliwowitz trank. Der Platz war bereits ausgesucht worden, die Buben gruben eine passende Grube, der Baum wurde hineinversenkt und jeder von uns schob etwas Erde hinzu. Einige holten Wasser um den Baum einzugießen und um ihn anzuspornen, doch bald Früchte zu tragen, wurde auch ein kräftiger Schluck Sliwowitz   dazu gegossen, nachdem jeder einen kleinen Schluck aus der Flasche genommen hatte. (Der Regenwurm, den meine Urenkeltochter dort entdeckt hatte, wird wohl recht betrunken gewesen sein).

Nun waren alle rechtschaffen hungrig. Wie vereinbart, hatte jeder etwas mitgebracht, das wurde nun in Ofen geschoben, der Salat fertig gemacht, und dann alles Ratzezeputz aufgegessen. Auch beim Essen, auch noch im Freien, an der Hauswand wurde noch viel über unseren Tusch gesprochen. Ich glaube, es hätte ihm geschmeckt!

Gemeinsam wurde alles wieder weggeräumt und die Familie zerstreute sich bei Einbruch der Dunkelheit wieder in alle Windrichtungen.

Jetzt kommen noch das Begräbnis und die Seelenmesse. Ganz andere Feiern – alle um an Tommy zu erinnern. Wir werden ihn sowieso nie vergessen, er ist immer anwesend, wo immer wir auch sind.

 

 

Adieu, lieber Tusch

5 Gedanken zu “Adieu, lieber Tusch

  1. Barbara Hala schreibt:

    liebe Christa, ihr habt Tommys irdischen Abschied wunderbar gestaltet – es hat ihm ganz sicher sehr gefallen!! und er hätte wahrscheinlich recht geschmunzelt angesichts etlicher besorgter Blicke vor dem Auszug, da ein leichter Nieselregen eingesetzt hatte …. und das Lied mit Gitarre seines Enkels am Grab war einfach gut!! ich hoffe, dass es ihm nun sehr wohl ergeht, er ist ja bei euch, solange ihr an ihn denkt!!

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