Sonntägliche Gedanken während der Restriktionen des Lockdowns

Im Lockdown finden ja keine Sonntagsmessen in Kirchen statt. Dafür konnte man vorigen Sonntag z.B. eine Übertragung (ohne anwesende Gemeinde) aus dem Stephansdom hören. Und weil vielleicht das Zuhören ohne „Aktion“ bzw. Ablenkung in der Kirche intensiver ist, habe ich möglicherweise bei den Texten besser aufgepasst und war aufmerksamer als sonst. Es war der Christkönigssonntag.

Zur Lesung aus dem Buch Ezechiel: da kommen die unvermeidlichen Schafe vor, die mich bei kirchlichen Texten früher so gestört haben. Ich will mich in keiner „Herde“ bewegen, ich will selbst denken und hinterfragen. Aber alle diese Texte kommen aus einer Gesellschaft mit landwirtschaftlichem Hintergrund. Was dieser Text eigentlich vermitteln sollen hat mit „Landwirtschaft“ nur wenig zu tun.  Es geht darum zu betonen, dass die verantwortlichen Herrscher Fürsorge gegenüber den Menschen zeigen sollen, für die sie verantwortlich sind, dass sie verlässlich sind und sich ihrer Verantwortung entsprechend verhalten. Besonders gefallen hat mir die Aufzählung: „die verloren gegangene Tiere will ich suchen, die vertriebenen zurückbringen, die verletzten verbinden, die schwachen kräftigen die fetten und starken behüten“. Es geht dabei nicht nur um die verlorenen und schwachen, es sollen auch die „fetten und starken“ behütet werden. Ich glaube, diesen Text kann man jetzt du hier jedem  verantwortlichen Politiker und nicht nur den christlichsozialen, ja auch Wirtschaftskapitänen ins Stammbuch schreiben.

Dass dann noch mein Lieblingspsalm (Nr. 23) rezitiert wurde, hat mich besonders gefreut. Es ist dieses wunderbare Bild, das darin vorkommt: „Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen, Er lässt mich lagern auf grünen Auen und führt mich zum Ruheplatz am Wasser“. Bei diesem Text möchte man gerne länger verweilen, um sich diesen den Inhalt der Worte bildlich vorzustellen. Jeder von uns hat wahrscheinlich einen derartigen Ort vor Augen, wohin er sich gerne zurückziehen würde.

Und in der Lesung aus dem ersten Korintherbrief wird uns die Auferstehung versprochen, „denn der letzte Feind, der entmachtet wird, ist der Tod“.

Textlich besonders schön ist das Evangelium dieses Sonntags, aus dem Markus-Evangelium. Auch hier geht es wieder um Schafe – sie werden in Schafe und Böcke getrennt. Sicher ist das nicht eine „Gender“-orientierte Trennung. Erstaunt –(eigentlich?) hat mich die strikte Darstellung der Richtlinien, nach denen der Mensch letzten Endes beurteilt wird. Da geht es gar nicht darum, wie fromm man gelebt hat, wieviel man gebetet hat, ob man regelmäßig Gottesdienst besucht hat. Also keine der Punkte, die ich z.B. im Beichtspiegel bei meiner Erstkommunion vorgefunden hat. Es geht auch gar nicht um das sonst so wichtig genommene Verhalten der Geschlechter untereinander. Nein, es geht einfach „nur“ um die Liebe zum Nächsten, um die Wahrnehmung des eventuellen Unglücks dieses Nächsten,  um die Abhilfe in der Not, wenn Hunger herrscht, wenn es kein sauberes Wasser gibt, wenn Unterkünfte fehlen. Es geht aber auch darum, sich um Kranke zu kümmern und jene, die in Gefängnissen sitzen, nicht auszugrenzen, sondern sich auch ihrer anzunehmen. Denn, wie es im Text heißt: „Was ihr für einen der Geringsten nicht getan habt, das habe ihr auch mir nicht getan“.

Bei diesem Text oder überhaupt in Situationen, in denen dieser Text in Erinnerung kommt, „fehlen“ wir schon. Wenn ich durch die Stadt gehe, treffe ich mindestens all hundert Meter einen Bettler an. Ja, er/sie ist der “Geringste meiner Brüder (und Schwestern)“. Ich kann sicher nicht jedem etwas geben. Und selbst, wenn ich ihm/ihr einen oder zwei Euros in die Hand gedrückt oder in seinen /ihren Becher geworfen habe, habe ich wirklich geholfen?  Ich kenne auch jene „Abkassierer“, die regelmäßig zu den Bettlern kommen, um ihnen das Geld wegzunehmen. Manchmal spreche ich mit einer Bettlerin, die ihre Tätigkeit als Geschäft bezeichnet, das gut oder schlecht geht. Sie ist auch an ihrem Platz gestanden, als sie schwanger war. Hinterher habe ich sie gefragt, was aus ihrem Kind geworden ist, das wäre bei ihrer Mutter in Rumänien. Traurig! Es ist mir ziemlich peinlich, wenn ein Bettler darauf hinweist, dass meine Spende zu gering wäre und er viel mehr bräuchte, da er doch krank wäre, etc. … Ich weiß, dass es Schlafstellen für Bettler in Wien gibt, ich weiß, dass sie Möglichkeiten haben sich Essen zu beschaffen (ich denke da z.B. an die Gruft), ich weiß, dass ärztliche Versorgung geboten wird. Ja ich spende auch für diese Institutionen – aber ist das der richtige Weg?

In Spitälern habe ich eher nur Familienmitglieder und enge Freunde besucht, und in einem Gefängnis habe ich noch jemanden aufgesucht. Da ziehe ich mich dann doch lieber in meine „grünen Auen und an den Ruheplatz am Wasser“ zurück.

Sonntägliche Gedanken während der Restriktionen des Lockdowns

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