Un-weihnachtliche Überlegungen

„Weihnachten“ umfasst bei mir auch neuerlichen Kontakt aufnehmen mit alten Verwandten, Bekannte und Freunden, wobei sich das “alt“ nicht auf das Lebensalter, sondern auf die Dauer der Beziehung bezieht.  Einige  dieser Menschen, mit denen ich  heute gesprochen habe, sind jetzt so um die 60 Jahre alt. Manchen bereiten sich auf die Pension vor, andere sind schon in Pension.  Die meisten von ihnen sind gesund, haben Kinder, die oft selbst schon erfolgreich im Beruf stehen – und alles könnte eigentlich „wunderbar“ sein. Ist es aber nicht, denn diese Generation hat noch Eltern.

Diese Eltern sind also schon ziemlich alt, und wie das heute leider in dem Alter auch auftritt, sie sind mehr oder minder dement. Und das ist für deren Kinder ein Problem, und ein sehr großes sogar.

Fall 1. Die Mutter ist 93 (akademisch ausgebildet), hat sich schon in früheren Zeiten als gescheiter als die meisten Menschen erachtet (vielleicht in manchen Fällen nicht ganz Unrecht). Nun kann diese 93jährige Mutter keine „Anweisungen“(Ratschläge) von ihrem Kind, einer 60jährigen, sehr gebildeten, psychologisch ausgebildeten Frau entgegennehmen.  Sie wies bisher alles zurück, die vorgesehene Haushaltshilfe wirft sie hinaus. Die angebotene 24-Stundenbetreung „braucht sie nicht“. Hilfe bei der Körperpflege lehnt sie ab, kann es aber selbst nicht mehr.

Sie lehnt auch dieses Gerät am Handgelenk ab, mit dem man Hilfe (beim Roten Kreuz, von den Maltesern, etc.) holen könnte. „Wozu denn“?  Aber die Mutter ruft bei jedem Problem die Tochter zu jeder Tages- und Nachtzeit an. Und derartige Probleme treten oft auf. Die Tochter hat die  Erwachsenenvertretung, also Vorsorgevollmacht für die Mutter übernommen. Die Mutter lässt aber Betreuung nicht zu.

Eine „normale“ Konversation kommt zwischen den beiden Frauen nicht zustande. Die Mutter „in ein Heim stecken“ kommt für die Tochter nicht in Frage, wobei im Moment ohnedies keine Heimplätze für Demente vorhanden sind.

Die Tochter ist verzweifelt – die Mutter ist unzufrieden.

Fall 2. In diesem Fall ist die Phase der Überredung der Eltern „Hilfen zuzulassen“ bereits vorüber. In diesem Haushalt ist der Vater, auch über neunzig (früher leitender Spitalsarzt) sehr dement, also er äußert keinen vernünftigen Gedanken mehr, sitzt im Rollstuhl, ist inkontinent. Er war schon immer sehr rechthaberisch gewesen, jetzt ist es  aber extrem aggressiv, sowohl verbal als auch körperlich, wenn ihm nicht recht gegeben wird.  Sehr gerne bleiben Pfleger und Pflegerinnen bei solchen Personen nicht.

Die Mutter, auch schon  nahe dem Neunziger, hatte früher die Pflege des Vaters übernommen, war aber dann, als es nicht mehr machbar war, nicht bereit, Hilfe anzunehmen. Nun nimmt die Demenz bei ihr auch zu. Deren Kinder waren extrem besorgt, da sie noch mit ihrem Auto fuhr. Dann konnte sie sich nicht mehr erinnern, wo sie das Auto gelassen hatte. Also wurde ein extensiver Test vereinbar, der einfach ergab, dass sie sicher nicht mehr Autofahren durfte: Sie erkannte Hinweistafeln nicht, konnte sich nicht an die jeweils zulässige Geschwindigkeitsbegrenzung erinnern …). Man musste ihr die Autoschlüssel wegnehmen. Neulich setzte sie sich in ein nicht versperrtes fremdes Auto, indem eine Dame auf ihren Mann wartete, und  wollte damit wegfahren.

Natürlich besuchen die „Kinder“ ihre Eltern regelmäßig, aber es ist schwer auszuhalten, da sich die Elternüber ziemlich alles beschweren, die „Kinder“ dafür verantwortlich machen und demgemäß beschimpfen. Gemeinsame Familienfeiern z.B. gehen einfach gar nicht mehr.

Die „Kinder“ sehen keine Perspektive für ihr eigenes Leben – und die Eltern sind unzufrieden.

Das sind halt zwei Beispiele, die mir heute bei Weihnachtstreffen bzw. Telephonaten untergekommen sind. Es wird viel mehr derartige Fälle, sogar bei uns in Österreich in Zukunft geben.

Wir müssen uns nur die Alterspyramide anschauen. Anfang 2023 waren 19,3 Prozent der Bevölkerung in Österreich unter 20 Jahre alt, 61,1 Prozent zwischen 20 und 64 Jahre und 19,6 Prozent 65 Jahre und älter. Damit stieg der Bevölkerungsanteil der Senioren das siebte Jahr in Folge und auf einen erneuten Höchststand. Das Durchschnittsalter der Bevölkerung betrug am 01.01.2023 43,2 Jahre (unverändert zu 01.01.2022)

Alle miteinander sehen wir keine gute Lösung für diese Probleme, selbst in dem Sozial-Staat Österreich

Un-weihnachtliche Überlegungen

4 Gedanken zu “Un-weihnachtliche Überlegungen

  1. Meine Eltern sind beide 83. Der Vater ist zu dement, um noch zuhause leben zu können. Und Mutter, die noch zuhause ist, zeigt jetzt auch vermehrt Anzeichen von Vergeßlichkeit und aggressivem Verhalten. Es ist schwer, sehr schwer für mich, damit umzugehen.

    Manchmal wünsch ich mir die (Familien-)Verhältnisse von früher zurück, als das Altenteil noch hoch angesehen war …

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      1. Ich wohne ziemlich weit weg. Ja, Vater ist im Heim, Mutter hat Pflegedienst. Dennoch, bei den Besuchen dort ist es immer schwierig bzw. sogar schwieriger geworden.

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