Burgtheater: „Zentralfriedhof“

Gestern, am 1. Mai, war ich abends im Burgtheater. „Zentralfriedhof“ stand am Programm. Ich hatte bewusst vorher keine Kritiken oder sonstige Abhandlungen gelesen, ich möchte, dass mich das Stück selbst „überzeugt, unterhält …“. Schließlich weiß ich ja schon, wo ich auf diesem Zentralfriedhof begraben sein werde.

Da sich das Theater erst ganz kurz vor Beginn füllte, fehlten viele „Standard-Burgtheater-Besucher.“ Es waren dann viele junge Menschen anwesend (und da tut es mir leid, dass sie dieses Stück „als Burgtheater-Aufführung“ gesehen habengesehen haben). So mancher „Alte“ (in Bezug auf Burgtheaterbesuche) hat vorzeitig die Aufführung verlassen.

Ich war sprachlos – denn in diesem Machwerk wird kein Wort gesprochen. Text gibt es nur im Programmheft. Oja, es gibt viele unartikulierte Laute, es wird geschrien, so lange, dass jede Operndiva neidisch werden könnte, es wird gekeucht, gegrunzt. Es wird auch geweint … Es stellte sich – für mich – als eine Pantomime dar, clownesk, zweifelsfrei ausgezeichnet ausgeführt – aber im Burgtheater! So etwas hätte ich im Serapionstheater erwartet, und dort hätte es mir vielleicht sogar gefallen (wenn es einigermaßen gekürzt worden wäre).

Ich gebe zu, dass ich in Martin Kušej anfangs große Hoffnungen gesetzt habe. Aber ich fühle mich enttäuscht. Er hat von Anfang an gesagt, dass er das „Burgtheaterdeutsch“ abschaffen werden. Und die Wahl dieses wortlosen Stückes ist wohl jetzt der Gipfel dieser Bestrebungen. Ich habe den Eindruck, mit seinen letzten Inszenierungen wollte er Rache am Österreichischen Publikum nehmen – auch weil sein Vertrag nicht verlängert wurde.

Ich kann nicht lachen, wenn sich Menschen in ihren und der anderen Hosenträger verwickeln, ich kann auch nicht lachen, wenn sie versuchen Rad zu fahren, es nicht immer schaffen einander großartig ausweichen können und am Schluss hinfallen. Ich kann auch nicht über ein riesiges Skelett lachen, das bewegt wird und klappert. Ich kann auch nicht darüber lachen, wenn mit Schaufeln hantiert wird, und virtuell Erde ins Publikum geworfen wird. Ich gebe zu, es war mir zeitweilig einigermaßen langweilig, als sich die „einzelnen Scherze“ dann doch zu oft wiederholten.

Für Fritsch hat sich die Sprache nicht als Mittel der Verständigung bewährt. Für mich ist sie essentiell.

Aus Langeweile und ja, Desinteresse habe ich mich auf eine andere Ebene zurückgezogen und für mich, unabhängig vom Geschehen über den Tod reflektiert:  ich habe an den Sensenmann gedacht, (auch Gevatter Tod oder Schnitter), dieser ist eine aus dem Mittelalter stammende personifizierte, anthropomorphe Allegorie des Todes. Der Tod wird oft als gerippenhafte Gestalt (Skelett) dargestellt, die mit einer Sense die Menschen dahinmäht.

Ja, schon, der Tod ist ein großes Thema, die Furcht davor auch. Aber bitte doch nicht ohne Worte! Ich habe auch an Charon gedacht, den Fährmann, der die Toten über den Fluss Lethe (auch Styx oder Acheron) setzt, um sie in das Reich des Totengottes Hades zu bringen. um sie in das Reich des Totengottes Hades zu bringen.  Charon ist in der griechischen Mythologie freilich nicht der personifizierte Tod, das ist Thanatos (in der römischen Mythologie: Mors). Er ist der Gott des sanften Todes und wurde oft mit Hypnos, dem Gott des Schlafes, abgebildet. In der künstlerischen Darstellung hat er meist einen düsteren Blick. Den Sterbenden schneidet er mit einem Opfermesser eine Haarsträhne ab. Wer denkt nicht an Orpheus und Eurydike?

Auch und besonders im Märchen ist der Tod als Person präsent, mit dem mancher Sterbliche zu handeln versucht. Das weltweit bekannteste dürfte wohl „Der Gevatter Tod“, also der Taufpate Tod, aus der Märchensammlung der Brüder Grimm sein.

Und das große christliche Thema: Tod und Auferstehung, das so oft und so drastisch dargestellt wird. Nichts v on alledem, in diesem Stück.

Und vom Gevatter Tod ist es nicht weit zum Jedermann (jährlich in Salzburg), wo der Tod höchstpersönlich auftritt.  

Vielleicht haben manche auch an Wolfgang Ambros gedacht: „Es lebe der Zentralfriedhof, die Szene wirkt makaber / die Pforrer tanzn mit die Hurn, und Juden mit Araber“. Ambros’ Friedenshymne!

So viel gäbe auch noch zum Zentralfriedhof zu sagen …

Wenn Sie Sprache lieben, dann können Sie sich diese Aufführung sparen. Wenn Sie gute Schauspieler mit Fähigkeiten zur Koordination der Bewegung und der Laute sehen wollen, dann sind Sie bei dieser Aufführung richtig.

Burgtheater: „Zentralfriedhof“

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