und was bedeutet das für uns Europäer?
Eigentlich mag ich nicht schon wieder über Trump schreiben, aber er fordert ja Kommentare direkt heraus. Andererseits – vielleicht können wir gar nicht mehr so lange über ihn schreiben, er handelt ja so, dass es scheint, er wäre nicht regierungsfähig.
Seine Hauptziele scheinen derzeit darin zu liegen, dass er alles abschaffen will, das sein Vorgänger eher mühsam erreicht hat. Das ist zwar kein Programm, aber angekündigt hat es Trump im Wahlkampf. An Obamacare ist Trump grandios gescheitert. Das überlässt er jetzt sich selbst, in der Hoffnung dass es „implodieren“ wird. Damit muss man sich neuen Themen zuwenden, und zwar der Abschaffung aller Maßnahmen, die dem Klimaschutz gedient haben, der angeblich so viele Arbeitsplätze gekostet haben.
Von einer Seite wird Trump vorgeworfen, ein Faschist zu sein, eine andere Seite vergleicht ihn mit Lenin während der Oktoberrevolution. Er selbst soll von Bannon, seinem Chefstrategen, gesagt haben, er wüsste nicht, ob dieser nun rechts oder links wäre. Diese Kategorien treffen auch auf ihn selbst nicht zu.
Während seines Wahlkampfes stellte er sich eher reaktionär dar, scheinbar in Einklang mit der Fremdenfeindlichkeit der europäischen extremen Rechten. Er brachte jedenfalls Demagogie in den Wahlkampf. Man fürchtet nun um die Demokratie und sieht Parallelen zwischen der derzeitigen Situation in den USA und den dreißiger Jahren in Europa, als sich die Tyrannen entwickelten.
Besonders Trumps Attacken gegen die Medien und sein permanentes Lügen höhlen die Demokratie aus: „Post-truth is pre-facism“. Zu diesem düsteren Bild trägt auch Trumps Feinseligkeit gegen Immigranten und Muslime bei. Man wählt einfach eine bestimmte Gruppe von Bürgern aus und verbindet sie mit einer weltweiten Drohung – das geschah in den 1930ern. Das waren damals in Deutschland die Juden in Verbindung gebracht mit den Weisen von Sion.
Heute halten wir Hitler und Stalin für die übelsten Bösewichte, aber anfänglich wurden sie nicht so gesehen, es bedurfte einer Übereinstimmung der Wähler mit ihren Zielen. Hitler wurde schließlich demokratisch gewählt, um hinterher die Demokratie abzuschaffen. Aber es gibt einen gravierenden Unterschied zu dem 1930er Faschismus. Trump predigte vielleicht einen antikapitalistischen Populismus während des Wahlkampfes, der aber jetzt bei der eingeschlagenen Politik fehlt. Es mangelt auch die europäische Ausgangslage für Diktatoren der 30er Jahre: der Schlüssel für den Erfolg des Faschismus war das Versprechen riesiger Aufbauprojekte der durch den Krieg zerstörten Staaten und die nach wirtschaftlichen Ruin wieder rehabilitiert würden. Der Faschismus hat seine Kraft nicht daraus bezogen, dass er die niedrigsten Instinkte der Menschen ansprach, er kümmerte sich um die gesellschaftlichen und psychologischen Nöte der Bürger, um sie vor dem verheerenden Wüten des Kapitalismus der damaligen Zeit zu schützen, als andere politische Kräfte wenig Hilfe boten.
In der Zeit der großen Depression versprachen die Faschisten Sozialhilfe, staatlichen Einfluss auf die Wirtschaft, und ein besseres Los für die Unterdrückten. Der „New Deal“ in den Vereinigten Staaten war eine Antwort auf ähnliche Bedingungen, aber ohne das extreme politische Ergebnis. Es ist keine Frage, dass Gewalt und Rassismus wesentliche Züge des Faschismus gewesen sind. Aber für die Mehrzahl der Italiener, Deutschen, Österreicher und andere europäische Faschisten war die Anziehungskraft des Faschismus nicht wegen Rassismus oder ethnische Säuberung, aber die erwartete Fähigkeit der Faschisten auf die Krise des Kapitalismus zu antworten.
Im Wahlkampf bediente sich Trump ähnlicher Argumente: der derzeitige Status hätte Millionen vergessener Amerikaner zurückgelassen, nationale Interessen den Globalismus-Eliten untergeordnet und war schwach gegenüber ausländischen Feinden. Aber alles, was sich seit der Inauguration gezeigt hat, den Abbau des „administrativen Staates“, das Sicherheitsnetz für die Armen zu demontieren, die üppige Unterstützung seiner eigenen Interessen durch den Steuzerzahler, zeigte ein sehr ego-zentriertes Programm.
Auch daher sollte man auf Trump nicht durch die Faschismusbrille schauen, er hat keine faschistische Organisation hinter sich. Er war und ist ein Fernsehstar, er organisiert und mobilisiert die Massen nicht, er richtet sich an ein Publikum von Konsumenten. Faschistische Ideen sind heute weniger weit verbreitet als sie vor 70 oder 100 Jahren waren, während der McCarthy Ära oder während der Periode der Roten Angst (red scare: sie war geprägt von antikommunistischer Hysterie, die sich in Stigmatisierung und Verfolgung der politischen Linken, insbesondere auch von Einwanderern , manifestierte).Die bolschewikische Bedrohung existiert nicht länger. Putin hat für die Amerikaner noch nicht das Gewicht von Stalin. Das Gespenst des Terrorismus ist im Moment weniger bedrohlich, schreckt die Amerikaner derzeit nicht soweit, dass sie ihre Freiheit zugunsten von Versprechungen von Sicherheit aufgeben würden. Das haben sie schon nach 9/11 getan. Dennoch führt der neue amerikanische Weg ins Ungewisse.
Der Aufstieg Trumps ist nicht eine plötzliche Rückkehr zur Barbarei, es entspricht nicht einem Meteor, der plötzlich auf ein friedliches Land niederfällt, es ist auch kein Wiederwachen des Faschismus, sondern etwas Neues, das man vielleicht als „Post-Faschismus“ bezeichnen könnte?
Was wirklich kommen wird, kann jetzt noch nicht gesagt werden, aber es werden endlose politische Kämpfe sein. Historische Vergleiche geben uns moralische und faktische Richtungen vor, aber wie es mit Trump weiter, davon hat wirklich niemand eine Vorstellung – wahrscheinlich auch er selbst nicht.