Schwimmen in der Aist

Nachdem ich Sie schon in die Piesting entführt habe, möchte ich Sie jetzt aus dem dortigen kalten Wasser holen und Sie bitten, mich zur Aist zu begleiten.

Die Aist ist ein Bach- und Flusssystem im östlichen Mühlviertel. In Hohensteg (südlich von Pregarten) vereinigen sich die Feld- und Waldaist zur Aist. Die Aist hat bis zur Mündung in die Donau in der Nähe von Schwertberg eine Länge von 14 Kilometern. Zusammen mit der Waldaist kommt sie auf eine Länge von rund 72 km.

Aus alten Urkunden, wie etwa der Wilhelminischen Schenkungsurkunde, geht hervor, dass der Name „Aist“ von einer slawischen Flussbezeichnung abgeleitet wurde. Das Mühlviertel, wie auch viele andere Teile Europas, waren damals von slawischen Völkern besiedelt. Der Fluss taucht im Jahre 853 erstmals in einer Schenkungsurkunde als „Agasta“ auf. 983 wird er „Agesta“ genannt. Die Vorsilbe „ag-“ bedeutete „treiben“, „rasch“.

Also „meine Aist“ war die Feldaist. Die spielte eine ganz andere Rolle als die Piesting, denn wir wohnten an der Aist in einer Hammerschmiede, deren Hämmer von der Aist betrieben wurden. Das bedeutete auch, dass wir die Aist nicht nur zum Baden benutzten. Um dort zu schwimmen, war es angebracht den Fluss nicht vom Ufer her zu betreten, denn da gab es sehr viel Schlamm und in diesem Schlamm da lebten die Blutegel – und das fand ich recht grauslich. Am liebsten ließ ich mich von einem großen Stein, der in den Fluss ragte, ins Wasser gleiten um gleich zu schwimmen. Die Aist war ein relativ ruhiges Gewässer, leicht moorig und nicht so kalt wie die im vorigen Blog erwähnte Piesting. Das Wasser war auch weicher als jenes im „Kalkstein-Niederösterreich“.

Es lebten viele Fische drinnen, das merkten wir aber erst, als die Russen in der Besatzungszeit ab 1945 mit dem Fischen begannen, sie taten das weder mit einer Angel noch mit einem Netz, sondern – mit Handgranaten. Dann schwammen die toten Fische mit Bäuchen noch oben an der Wasseroberfläche und brauchten nur herausgehoben zu werden. Der Rest trieb flussabwärts. Wo schon hungrige Einheimische lauerten.

Außer zum Baden nutzten wir die Aist auch im Winter – damals, als die Winter noch sehr kalt waren und ab November alles verschneit war, zum Eislaufen. Ja, und beim Wäschewaschen schwemmten wir die Wäsche im fließenden Aistwasser. Das war im Winter schon sehr kalt und manchmal mussten wir die Flussränder aufhacken.

An ein Hochwasser an der Aist kann ich mich nicht erinnern, aber es gab später ein so genanntes Jahrhunderthochwasser, im August 2002, währenddessen das gesamte Aisttal verwüstet worden ist.  

Knapp vor dem Haus, in dem wir wohnten, wurde ein „Arm“ der Aist abgeleitet, der dann die Hämmer betrieb. Und dort war auch eine Wehr, die den Fluss aufstaute. Und eine Brücke – schmal und nur für Fußgänger, führte hier über die Aist. Und genau hier übergaben Amerikaner und Russen einander die Oberhoheit über das Gebiet im Jahr 1945, nachdem die Amerikaner es erobert hatten, es aber „vertraglich“ den Russen zustand.

Von uns aus konnte man an beiden Ufern der Aist spazieren gehen. Naja, spazieren gehen war es nicht eigentlich, meist suchten wir in den angrenzenden Wäldern nach Schwammerln, wir sammelten sowohl Herrenpilze als auch Eierschwammerln, die entweder sofort zubereitet wurden, oder geschnitten, aufgefädelt und „luftgetrocknet“ wurden. Selten fanden wir auch Parasole. Die getrockneten Pilze  leisteten uns dann, später in Wien, als Lebensmittel sehr knapp waren, gute Dienste.

Aber wir sammelten nicht nur Schwammerln, es gab auch jede Menge Beeren. Am dominantesten waren die Heidelbeeren, aber wir fanden auch Walderdbeeren (deren Geruch und Geschmack sind einfach unübertroffen), aber auch Himbeeren und Brombeeren. Selten kehrten wir „ohne“ irgendetwas gefunden und gesammelt zu haben nach Hause zurück.

Bei einem Spaziergang mit einer Freundin im Aisttal wurden wir gegen Ende des Krieges von amerikanischen Tieffliegern erfasst, sie beschossen uns zwar, aber wir konnten uns gleich in den Wald verziehen und dann ließen sie von uns ab.

Allerdings mochte ich diese Spaziergänge entlang der Aist, (noch heute träume ich zuweilen davon) das Ufer war von Bäumen und Sträuchern bewachsen und die Äste hingen tief in den Fluss hinein, das träge Wasser gluckste nur leise – es war sehr romantisch dort.

Gleich gegenüber von dem Haus indem wir damals wohnten war die so genannte „Badeanstalt“ Pregartens. Es war eigentlich nur eine Holzhütte auf einem gemauerten Uferstück, in die Kabinen eingelassen waren. Diese Badeanstalt war selbstverständlich nur an heißen Tagen in Betrieb, ansonsten stand sie mir zum Spielen zur Verfügung. Außerdem badeten die Kinder und die Jugendlichen weiter oben am Fluss, an einem Knie, wo sie sich nicht überwacht fühlten.  

Grad heute, da es so plötzlich heiß, ja eher schwül geworden ist, denke ich an da laue, weiche Wasser der Aist gerne zurück.

Schwimmen in der Aist

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