Viele Menschen fürchten sich in unserem Land. Wir leben in einem Land in dem aber die Zufriedenheit mit den Lebensumständen sehr hoch ist. Ein Widerspruch?
Wovor fürchten sich die Menschen: vor sozialem Abstieg, nicht ganz unberechtigt, wenn man die Wirtschaftsdaten dieses Landes verfolgt; vor einer Veränderung der Machtverhältnisse, ebenso nicht unberechtigt, wenn man die Performance der derzeitigen Machthaber beobachtet; vor einer Klimaveränderung, wird wahrscheinlich eintreten, wenn alle so weitermachen wie bisher, aber diese kann manchen Vorteile, anderen Nachteile bringen. Aber besonders scheint man sich vor „den Muslimen“ zu fürchten. Da fürchtet man sich vor einem eventuell drohenden Bürgerkrieg, nicht eben bald zu erwarten; vor der Einführung der Scharia, das sehe ich auch nicht in unmittelbarer Zukunft. Obwohl, ich gebe es zu, die Massen fahnenschwingender Erdogan-Unterstützer auf dem Heldenplatz haben mir schon einen schönen Schrecken eingejagt.
Eigentlich lohnt es sich nicht, sich zu fürchten, vielmehr sollte man versuchen, zu unterscheiden, wann man selbst nicht in der Lage ist, etwas zum Abbau der beängstigenden Situation beizutragen, und einfach nur hoffen, dass es diejenigen, die das Hindernis beseitigen können, auch tun. Wenn man Abhilfe schaffen kann, sei es in noch so geringem Maße, dann sollte man es tun – statt sich nur zu fürchten.
Wenn ich jetzt auf mein langes Erwachsenenleben zurückblicke, wann haben wir uns gefürchtet? Ich meine jetzt nicht die „privaten Tragödien“, sondern Ereignisse im öffentlichen Leben.
Gefürchtet habe ich mich während der gesamte Besatzungszeit „vor den Russen“, mir persönlich hat nie einer etwas getan, es war also das Erlebte kurz nach dem Einmarsch, damals im Mühlviertel, als betrunkene Russen in der Nacht mit ihren Gewehrkolben an die Tür klopften und „Frau, Frau“ schrien. Was dann mit derjenigen passierte, die die Tür öffnete, wurde mir eindringlich erklärt.
Dass es in Wien zu einer ähnlichen Situation wie in Berlin im Jahre 1948/49 kommen könnte, als die Stadt durch eine Luftbrücke der Amerikaner im Leben erhalten wurde, nachdem die Straßen- und Eisenbahnverbindungen von den westlichen Besatzungszonen nach West-Berlin während der Berlin-Blockade vom 24. Juni 1948 bis 12. Mai 1949 durch die sowjetische Besatzungsmacht gesperrt worden waren, war mir damals nicht in den Sinn gekommen. .
Der Schrecken aufgrund des Einmarsches der Russen in Ungarn 1956 hat sich bei uns jungen Leuten damals sehr bald in Aktivität verwandelt, jeder versuchte, in irgendeiner Form zu helfen, damit blieb für die Angst, die Russen könnten auch die österreichische Grenze queren, eigentlich keine Zeit.
Auch der Mauerbau in Berlin in der Nacht vom 12. auf den 13. August 1961 schien uns hier nicht auf eine derartige Gefahr für Wien hinzudeuten, da Österreich ja nicht in der Form von Deutschland geteilt war.
Anders bei der Kuba-Krise, sie dauerte 13 lange Tage. Im Oktober 1962 kam es zu einer Konfrontation zwischen den USA und der Sowjetunion, die sich aus der Stationierung sowjetischer Mittelstreckenraketen auf Kuba und der daraufhin erfolgten Drohung der amerikanischen Regierung unter Präsident Kennedy entwickelte, sie werde nötigenfalls Atomwaffen einsetzen. Am 22. Oktober wurden alle US-Streitkräfte weltweit in erhöhte Einsatzbereitschaft versetzt, weitere US-Soldaten wurden zur Vorbereitung einer Invasion nach Florida verlegt und rund 200 Kriegsschiffe um Kuba in Stellung gebracht. Kennedy forderte den sowjetischen Regierungschef Chruschtschow zum Abzug der Raketen aus Kuba auf und drohte für den Angriffsfall mit einem atomaren Gegenschlag. Am 24. Oktober beginnt die von Kennedy als „Quarantäne“ bezeichnete Seeblockade aus amerikanischen Kriegsschiffen. Am 27. Oktober – nach zahlreichen Pannen und gefährlichen Situationen – findet ein Geheimtreffen zwischen Robert F. Kennedy und dem Sowjetbotschafter Dobrynin statt. John F. Kennedy lässt seinen Bruder erklären, dass er auch einem Abzug der in der Türkei stationierten amerikanischen Jupiter-Raketen zustimmen würde. Dobrynin gibt diese Nachricht sofort nach Moskau weiter. Spätnachts entscheidet Nikita Chruschtschow, das Angebot Kennedys anzunehmen und die Raketen aus Kuba abzuziehen.
Als das Abdrehen eines sowjetischen Schiffes im Fernsehen zu sehen war, waren wir alle glücklich (ich verwende dieses Wort mit Bedacht), wir fielen einander um den Hals, der Atomkrieg war abgewendet!
In der Nacht zum 21. August 1968 marschierten etwa eine halbe Million Soldaten der Sowjetunion, Polens, Ungarns und Bulgariens in die Tschechoslowakei ein und besetzten innerhalb von wenigen Stunden alle strategisch wichtigen Positionen des Landes. Da es sich hierbei um die größte Militäroperation in Europa seit 1945 handelte, erschien uns die Gefahr schon groß, dass sich diese Streitmacht auch gegen Österreich richten könnte.
Selbst die Folgen der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl, die sich am 26. April 1986 im Kernkraftwerks Tschernobyl in der Ukraine ereignete, haben wir eigentlich erst später erfasst (jetzt unabhängig davon, dass wir erst am Ersten Mai mittags davon erfuhren). Da waren wir dann umgehend damit beschäftigt, irgendwelche Strahlenschäden von uns selbst und unseren Familien fernzuhalten.
Viele fürchteten sich beim Ausbruch des Zweiten Golfkrieges, zur Erinnerung: als Kuweit 1990 durch den Irak eingegliedert wurde, aber damals erschien uns das zu weit weg …..
Es folgten weitere Kriege und Auseinandersetzungen, es folgten Naturkatastrophen wie der große Tsunami 2004, der so vielen Touristen das Leben kostete, oder die Erdbeben in Japan 2011, mit ihren Folgen wie Fukushima….
Wovor soll ich mich jetzt noch fürchten? Ich denke nicht daran, mich zu fürchten, sondern schaue positiv in die Zukunft, eigentlich überzeugt davon, dass es gut gehen werde!